Hallo Zusammen,
ich reihe mich hier jetzt einfach mal ein, denn ich bin total froh mich in vielen Erfahrungsberichten von euch wieder zu finden. Endlich hat das ganze Drama einen Namen für mich.
Ich hab zufällig auf Facebook gelesen, dass man unser "Leiden" Misophonie nennt, gegoogelt und bin hier gelandet.
Ich habs seit der 5. Klasse, auf einmal hat mich morgens das Essgeräusch meiner Mama gestört, nach und nach kamen dann immer mehr Trigger hinzu, besonders schlimm waren (und sind es immer noch) Schluckgeräusche, Pfeifgeräusche und andere Atemgeräusche, Schnarchen, Nüsse, Äpfel und andere "laute" Lebensmittel beim Kauen, Türen knallen, trampeln, Bassgeräusche durch Wände und noch viel mehr. Visuell verrückt machen mich alle zappeligen Bewegungen im Augenwinkel und Finger knibbeln, wobei diese Trigger erst in den letzten Jahren dazugekommen sind.
Auch als sehr störend empfinde ich wenn ich zB. im Bus sitze und jemand hinter mir dauernd gegen den Sitz donnert- ob das allerdings direkt mit der Misophonie zu tun hat weiß ich nicht, ich fühle dann aber die gleiche Aggression, wie eben auch bei Geräuschen.
Meine Familie hatte dafür natürlich kein Verständnis, gerade mit meinem Papa hatte ich sehr oft Zoff deswegen, was eigentlich auch nur der einzige wirkliche Streitpunkt meiner Kindheit war, ich kann meinen Eltern nix vorwerfen. Aber Sprüche wie: "Dann hör doch weg" kenne ich sehr gut, beim Essen
aufstehen durfte ich auch nicht und wurde somit oft aggressiv und habe mehr oder weniger bewusst Streit angefangen, um für mich von den Geräuschen abzulenken und die Wut etwas abzulassen. Leider habe ich meine Eltern dadurch auch sehr oft verletzt, im Nachhinein bin ich nun froh, dass ich zumindest nichts dafür konnte, wenn es die Situation mal ergibt, werde ich mit ihnen darüber auch nochmal sprechen, denn das Verständnis ist mir sehr wichtig.
Wegen der Misophonie habe ich zwei Mal die Wohnung und einmal den Job gewechselt, im Endeffekt war das für mich auch eine treibende Kraft ein eigenes Haus zu kaufen, denn Nachbarn sind für mich durch irgendwelche- ja eigentlich normalen Geräusche- extrem störend.
Zum Glück habe ich heute einen verständnisvollen Mann, der natürlich auch des öfteren traurig ist, weil ich zB. schimpfend wärend des Essens aus der Küche renne, aber er achtet drauf und gibt sich ganz ganz viel Mühe. Beim Essen läuft immer das Radio, das lenkt ein bisschen ab, ich schlafe mit Ohropax und habe zudem mein eigenes Zimmer, was für mich die einzig große Belastung ist, denn ich vermisse meinen Mann neben mir, wir haben noch nie eine Nacht miteinander verbracht und ich glaube nicht nur ich vermisse diese Nähe...
Im Großen und Ganzen bin ich aber glücklich, besonders mein Mann, der mich so akzeptiert wie ich bin, trägt viel dazu bei. Allerdings habe ich auch ein wenig Angst, dass es mit der Zeit immer mehr Trigger werden. Ich hoffe, dass es bald eine Therapie oder irgendetwas wirklich Hilfreiches für uns gibt!
Jetzt bin ich aber erstmal froh nicht allein zu sein
Viele Grüße
Steffi